“Trauer – das ist mehr als Tränen und Schmerz” – zu einem Vortrag zu diesem Thema hatten der Johannisverein Gernach und das Trauercafe Märchen” gemeinsam eingeladen. “Trauercafe Märchen”, in gemeinsamer Trägerschaft von Johannisverein Gernach und Kirchenstiftung Gernach wird verantwortet von Christine Schöll. Sie ist Märchenerzählerin und leitet schon seit mehr als einem Jahr die offene Selbsthilfegruppe “Trauercafe Märchen”. Menschen, die um eine geliebte Person trauern, sind an jedem ersten und dritten Dienstag ins Haus Franziskus eingeladen, ein Märchen zu hören, das Christine Schöll frei vorträgt. Das Gespräch über das Märchen, das man gehört hat, kann helfen, Wege aus der Trauer zu finden. Darüber hinaus wird gelegentlich auch zu anderen Veranstaltungen eingeladen – wie jetzt zu einem Vortrag zum Thema “Trauer”. Mit Margarete Frey-Lingscheidt, konnte eine erfahrene Trauerbegleiterin als Referentin gewonnen werden. Sie begann ihren Vortrag mit einer vielleicht für viele überraschenden Einsicht: Die erste Trauererfahrung macht der Mensch bei der Geburt: er muss Abschied nehmen vom Mutterleib, wird ohne Vorbereitung konfrontiert mit einer ihm weitgehend unbekannten Welt. Kritisch setzte sich die Referentin mit der im Zusammenhang mit Trauer oft verbundenen Aufforderung auseinander: “Loslassen.” Es gehe bei der Trauer vielmehr nicht darum loszulassen, sondern es gelte, darauf zu vertrauen, dass sich die Beziehung zu dem Menschen, den man unwiederbringlich verloren hat, neu gestaltet. In der ersten Zeit nach dem Tod eines geliebten Menschen mag es sein, dass man den Verlust gar nicht wahrhaben will: Man weiß zwar mit dem Verstand, dass die Partnerin, der Ehemann gestorben ist, aber “das Herz kann es noch nicht verstehen.” Träume, in denen die geliebte Person lebt, sind keine Seltenheit, und auch Erlebnisse, dass man meint, ihn gesehen oder gehört zu haben, sind nicht krankhaft, sondern Teil der Auseinandersetzung mit dem schmerzlichen Verlust. Dieser Wandlungsprozess kostet viel Kraft und Anstrengung, er verläuft ungleichmäßig und ist in seinem Phasen nicht vorhersehbar: Zeiten der tiefen Trauer, vielleicht ausgelöst durch eine Erinnerung an ein schönes gemeinsames Erlebnis wechseln sich ab mit Zeiten, in denen man “wie ein Uhrwerk” funktioniert, weil Aufgaben erledigt werden müssen. Der Trauerprozess lässt sich am besten beschreiben als Spirale: man kommt immer wieder an die gleiche Stelle, aber doch hat sich eine Kleinigkeit verändert, man erlebt die gleiche Erinnerung immer etwas anders, neu.Die tiefen Emotionen brechen oft erst nach der Beerdigung auf, wenn die Aufgaben, die im Zusammenhang mit der Beerdigung zu erledigen sind, abgearbeitet sind und Ruhe einkehrt. Verzweiflung können sich abwechseln mit Schuldgefühlen, Gedanken, nicht mehr weiterleben zu wollen, sind keine Seltenheit. Vielleicht kommt auch Wut auf den Verstorbenen auf, weil man sich von ihm im Stich gelassen fühlt. Allmählich beginnt dann eine Zeit des Erinnerns: man blickt zurück auf die schönen gemeinsamen Erlebnisse, fühlt sich dankbar verbunden mit dem Partner/der Partnerin, der Mutter oder dem Vater, weil man wahrnimmt, was man den Menschen verdankt, denen man sich verbunden fühlt. Aber es können immer wieder auch tiefe Momente der Trauer aufkommen.
Früher trugen die Rituale – etwas das Tragen von schwarzen Kleidern über die Zeit von einem Jahr- dazu bei, dass auf Trauernde Rücksicht genommen wurde. Heute – so das Erleben vieler Trauernder wird im Beruf und auch im gesellschaftlichen Umfeld erwartet, dass man recht rasch wie vor dem Verlust seine Aufgaben erfüllt. Trauer dürfe auch nicht mit Depression verwechselt werden: bei Personen, die an Depression leiden, steht innerlich alles still, während beim Trauernden starke Gefühle vorherrschen, die sich in unvorhersehbarer Weise abwechseln können. Es sei wichtig, auf Trauernde achtsam zuzugehen, denn Trauernden falle es schwer, Wünsche an Gemeinschaft, oder auch konkreter Unterstützung an ihre Umgebung zu richten. “Wenn man sich auf den Trauernden einstellt, mache man selten etwas falsch”, so die Referentin. Dabei sei es aber auch wichtig, auf die eigenen Grenzen zu achten. Unbedingt vermeiden sollte man Floskeln wie “in einem Jahr ist alles vorbei” oder “Dein Mann ist zwar gestorben – aber es gibt doch noch andere Männer”. Man sollte die Form der Trauer, die jemand wählt, nicht als “richtig” oder “falsch” beurteilen: für manchen ist es wichtig, zum Grab zu gehen, jemand anders scheut die Öffentlichkeit und bleibt daher lieber zu Hause. Tröstend und stärkend kann es dann sein, die Trauernden in ihrem individuellen Weg der Trauer wertzuschätzen. Im Austausch nach dem Vortrag berichteten Anwesende in sehr persönlicher Weise von ihrer Trauer um Menschen, die sie – manche erst vor kurzer Zeit – verloren haben. Es war für alle ein intensiver, wertvoller Abend. Christine Schöll und Erhard Scholl als Vertreter der Nachbarschaftshilfe überreichten der Referentin ein Präsent als Dankeschön für ihren Vortrag.